11.10.2015 |
Änderung im Denken #1 |
|||
ontopic |
![]() All unsere Pläne und Programme, unsere Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltiger zu gestalten, werden am Ende nichts bringen, wenn wir nicht auch unser Denken grundsätzlich ändern. Thom Hartmann beschreibt das in seinem Buch "The Last Hours of Ancient Sunlight" (dt. "Unser ausgebrannter Planet") so (Infobox Übersetzung):
Thom Hartmann unterscheidet in seinem Buch "Younger Culture" und "Older Culture", wobei "Younger Culture" unsere heutige Zilivisation beschreibt und mit Daniel Quinns "Mother Culture" gleichzusetzen ist. Unter dem Begriff "Older Culture" werden "unzivilisierte" Gesellschaften zusammengefasst, die sich vor allem durch eine ausgeprägte, oft auch spirituelle Verbindung mit der jeweiligen umgebenden Natur auszeichnen und den Menschen als gleichberechtigten Teil davon ansehen. Und hiermit mache ich auch den Schwenk auf das Werk von Daniel Quinn, den ich in der Vergangenheit schon öfter erwähnt habe: Die für mich wichtigste und bahnbrechendste, und wahrscheinlich am schwierigsten zu vermittelnde und zu akzeptierende Erkenntnis aus Daniel Quinns Büchern ist folgende:
There is no ONE right way to live.
Es gibt nicht die EINE richtige Art zu leben. Das ist es, was lt. Quinns Hypothese zur Vertreibung aus dem Paradies geführt hat: Der Mensch hat vom Baum der Erkenntnis gegessen - er hat angefangen, die Welt in Gut und Böse einzuteilen. Er hat sich das Recht heraus genommen zu entscheiden, wer leben darf und wer sterben soll. Die Natur hat - ohne das Eingreifen einer "höheren Macht", als die sich der Mensch ja versteht, seit er die "Moral" erfunden hat - ein wunderbar dynamisches Gleichgewicht: Die Natur bewertet nicht. Das Leben ist ein Kreislauf, Lebewesen entstehen, leben und vergehen - und werden dadurch zu Nahrung für andere Lebewesen. Ist es gut, dass die Gazelle dem Löwen entkommt? Gut für die Gazelle, schlecht für den Löwen. Wer würde es wagen, hier moralisch zu urteilen? Ich bin froh, dass ich es nicht muss. Die Natur existiert in einem perfekten dynamischen Gleichgewicht - auftretende Probleme und Störungen lösen sich durch biologische und physikalische Mechanismen von alleine. Der Nahrungsangebot - Bevölkerungszusammenhang ist so ein Beispiel: Ungehemmtes Wachstum kann nie ausarten, denn es gibt einen Zeitpunkt, an dem Nahrung zu Ende geht, und das Problem löst sich von selbst. Keine Veranlassung für ein überlegenes Wesen, eingreifen zu müssen. Seit der Mensch sich selbst diese Rolle gegeben hat, ist er in der Position eines "Tellerjongleurs", der mit einem irren Aufwand an Energie versucht, ein künstliches Gleichgewicht aufrecht zu erhalten, dass sich ohne sein Eingreifen von ganz alleine regulieren würde. Das haben wir nun davon: Anstatt - wie alle anderen Lebensformen auch - unseren Platz relativ gemütlich und entspannt in diesem Gefüge auszufüllen, sind wir angetreten, die Führung zu übernehmen: Und nun droht uns alles aus den Händen zu gleiten. Stopfen wir ein Loch, platzen drei neue auf. Fangen wir erst einmal an einzugreifen, nimmt es kein Ende mehr. Das Chaos im arabischen Raum ist ein gutes Beispiel dafür. Als noch überschaubare Stämme und Sippen den Erdball bevölkerten und nicht die heutige "Zivilisation", gab es natürlich sehr unterschiedliche Kulturen, Lebensformen und Traditionen, aber auch Revierkämpfe, Überfälle und kriegerische Auseinandersetzungen. Auch im Tierreich gibt es territoriale Ansprüche und Reibereien. Was es jedoch - bis zum "Sündenfall" - anscheinend nicht gab, war der Anspruch, den eigenen Lebensstil anderen aufzwingen zu wollen. Was unsere eigene Art zu leben ausmacht und wie sie sich äußert, und zwar nicht nur im geopolitischen Sinn, sondern auch im täglichen Leben, ist unsere "Gewissheit", dass unsere Art zu leben die eine richtige ist, und die der anderen falsch, minderwertig, unterlegen. Der christliche Missionierungsgedanke ist getrieben von dieser Überzeugung, und wir wissen, was damit angerichtet wurde. Das Bestreben, "Freiheit" und "Demokratie" in die Welt zu bringen, ist ein anderer Auswuchs dieses Glaubens (sofern das nicht ohnehin ein Vorwand ist, andere Interessen durchzusetzen). So eingebrannt hat sich diese "Erkenntnis" in unsere Kultur und Gehirne, dass man es kaum zu denken, geschweige denn zu sagen wagt, dass man vielleicht NICHT genau weiß, was denn die eine richtige Art zu leben ist. Wir sind konditioniert, uns als moralisch unterbelichtet oder gleichgültig zu fühlen, wenn man nicht in den Reigen derer einstimmt, dass man doch "etwas dagegen unternehmen" muss, wie "die" da leben. Aus einer aus Überheblichkeit entstandenen Weltanschauung ist inzwischen ein moralischer Zwang geworden. Aus "Ich will mir nicht anmaßen zu urteilen, wie eine andere Gruppe leben soll..." wird problemlos die Beschuldigung gestrickt, man sei gefühllos und ignorant. Es ist leichter zu rechtfertigen, im Zuge des "Befreiungsprozess" tausende unschuldige Menschen ins Jenseits zu bomben, als diese Menschen einfach ihrem Schicksal zu überlassen. Bei ersterem gilt: Der Zweck heiligt die Mittel. Bei zweiterem: Aber man kann doch nicht einfach zuschauen. Es ist erstaunlich, wie normal das heute für uns ist, ja wir betrachten genau diesen Umstand als Merkmal dafür, ob eine Gesellschaft "zivilisiert" ist: Wenn sie eine Art zu leben identifiziert hat, die nicht nur für sie selbst, sondern universell als richtig und gut angesehen wird - und dann alles daran setzt, den Rest der Welt damit zu beglücken, koste es was es wolle. Die "primitiven Wilden" hatten dieses Bestreben nicht: Auch sie haben wahrscheinlich gewisse Traditionen und Praktiken der Nachbarn als haarsträubend oder bizarr wahrgenommen, aber niemals wären sie auf die Idee gekommen, diesen Nachbarn ihren eigenen Lebensstil aufzwingen zu wollen. Das ist es eben, was es ausmacht, ein Navajo oder Hopi oder Apache zu sein. Wirft man in unserer Kultur diese Fragen auf, gerät man schnell in gefährliches Fahrwasser: Wie kann man denn wegschauen, wenn anderswo unrecht geschieht? Was sagt das den über einen aus, so als Mensch? Was mir völlig unbegreiflich ist: Wie können wir die Moralkeule schwingen und dabei rechtfertigen, dass unvorstellbare Grausamkeiten begangen wurden und werden im Prozess dieser "Missionierung"? Grade die Verbreitung des christlichen Glaubens beispielsweise ist bestimmt von furchtbaren Praktiken, Erziehungsmaßnahmen, Bestrafungen,... Wie kann ein einziges Gehirn zwei so unterschiedliche Dinge vereinbaren? Einerseits mich selbst als moralisch gut wahrzunehmen, weil ich meinen richtigen Lebensstil anderen zugänglich mache, andererseits offensichtlich in diesem Prozess soviel Leid und Schmerz zu verursachen. Wo is da der moralische Kompass? Ich sage nicht, dass dieses Dilemma einfach zu lösen ist - aber man sollte eine Diskussion darüber erlauben. Vielleicht sind wir, als Spezies Mensch, doch nicht so allwissend und allmächtig wie wir uns gerne sehen würden. Vielleicht wäre dieser Planet insgesamt besser dran, wir würden uns nicht einbilden, wir könnten sein "wie Gott". Vielleicht würde uns ein wenig Bescheidenheit gut tun. Das alles soll auch nicht heißen, dass wir einfach alles stehen und liegen lassen und uns um gar nichts mehr scheren - dafür mischen wir uns schon zu lange überall ein, dafür haben wir die ursprüngliche Ordnung zu sehr ins Chaos gestürzt. Was ich erreichen möchte ist, dass wir anfangen, Konzepte, die wir für "typisch menschlich" und "normal" halten, zu hinterfragen. Was ist wirklich "angeboren menschlich" und was wurde möglicherweise einfach über Jahrzehnte, Jahrhunderte, Jahrtausende in uns eingehämmert? Wenn wir genau hinhören, was flüstert uns die Stimme von "Mother Culture" ein und was kommt wirklich aus unserem biologischen, evolutionären Vermächtnis? |
|||
« home |
« previous |
» archives « |
next » |