20.10.2016 |
This Side of Paradise |
|||
commentary |
« previous |
next » |
||
Okay, ich muss ein Geständnis machen: Ich bin aktuell ein wenig einer
uralten Besessenheit verfallen - ich schau grade ausgewählte "Star
Trek" Folgen - und ich meine damit die originale "Raumschiff
Enterprise" - Serie. Genau. Die mit Kirk und Spock und den lustigen Outfits. ![]() Es geht um die Folge "This Side of Paradise", in der deutschen Fassung "Falsche Paradiese". Die unbezweifelte Basisannahme ist vereinfacht gesagt: Die Natur des Menschen ist das Streben nach Fortschritt. Bevor ich da näher drauf eingehe, muss ich aber als Fan der Serie ein paar Worte vorausschicken: Nach all den Jahren bin ich überrascht, dass ich sofort wieder Fan von Spock wurde. Darsteller Leonard Nimoy ist aber auch einer der wenigen Schauspieler, die in der Serie eine wirklich solide Leistung abliefern. William Shatners (alias Captain Kirk) Performance schwankt ja meiner Meinung nach beträchtlich zwischen recht überzeugend und grauenhaft überzogen. Was aber anscheinend auch der übliche Stil damals war, denn damit ist er nicht alleine. Ich habe mir auch alle drei "Reboot" Filme noch mal angesehen und muss sagen: Ich bin nicht überzeugt, jetzt noch weniger als vorher schon. Die besagte Folge ist eins der Highlights der alten Serie, die insgesamt ihre Höhen und Tiefen hatte. Zu sehr hinterfragen darf man ja generell solche Geschichten nicht, denn da tauchen schnell Widersprüche und Ungereimtheiten auf, vor allem bei den älteren Serien. Man wollte Geschichten erzählen, und was immer dafür erforderlich war an Elementen ("plot devices") wurde hergenommen, egal ob das mit vorangegangenen Erklärungen und Gesetzmäßigkeiten konform ging oder nicht. So, jetzt aber zum Inhalt bzw. Thema der Folge: Die Enterprise wird zu einem Planeten beordert, der einer tödlichen Strahlung ausgesetzt ist, um nach den Siedlern zu sehen, die dort ein paar Jahre zuvor eine kleine Kolonie gegründet hatten. Die Bewohner sollten eigentlich tot sein, erfreuen sich aber erstaunlicherweise bester Gesundheit, sind glücklich und zufrieden. Zuerst weiß man nicht, wie das möglich ist, bald zeigt sich aber, dass das an einer Pflanze liegt, die mit den Menschen eine Symbiose eingegangen ist: Die Sporen halten die Menschen gesund (lassen sogar alte Verletzungen heilen) und schützen vor der Strahlung, die Pflanzen brauchen den Menschen ihrerseits in ihrem Lebenszyklus. Die Siedler leben als einfache Bauern, eigentlich sind alle mit dem Arrangement sehr zufrieden. Die Enterprise hat trotzdem die Order, die Menschen umzusiedeln, daran hält der Captain auch hartnäckig fest. Richtig problematisch wird es, als nach und nach auch die ganze Crew "infiziert" wird und das Schiff verlässt, um auf dem Planeten zu leben. Besonders auffallend ist naturlich der Wandel des sonst so unterkühlten Mr. Spock, der "zum ersten Mal in seinem Leben glücklich war", wie er am Ende selbst sagt, nachdem die Sporen ausgetrieben sind und die Kolonie verlassen wurde. Bemerkenswert an dieser Geschichte ist, dass die einzige Begründung für Kirks Beharren lautet: Die Menschheit darf nicht stagnieren, Mensch ist nicht dazu ausersehen, einfach glücklich - und dabei unproduktiv - zu sein. Und niemand stellt diese Annahme in Frage. In der ganzen Folge nicht, und interessanterweise auch in den Reviews kaum. Manche argumentieren, die Geschichte sei eine Warnung vor Drogenmißbrauch: Es ist schädlich, wenn sich Menschen mit Drogen die Birne zuknallen und dabei alles schleifen und verfallen lassen. Das war aber in dieser Kolonie nicht der Fall - die Leute waren geistig wach und nicht zugedröhnt und haben erfolgreich für ihr Überleben gesorgt. Die Sporen waren ungefährlich, ja haben sogar im Gegenteil den Menschen zu außergewöhnlich guter körperlicher Gesundheit verholfen. Was zum Henker soll daran falsch sein? Mich führt das wieder zurück zu Daniel Quinn, der nicht müde wird zu betonen, dass "wir" (Angehörige dieser Zivilisation) alle einer Gehirnwäsche unterliegen, und zu den grundlegenden Botschaften dieser Kultur gehören: Mensch hat sich gerechtfertigterweise über die Natur erhoben, Mensch ist von Natur aus schlecht, Mensch muss sich (daher) sein Brot im Schweiße seines Angesichts verdienen, Mensch wird für seine Mühen irgendwann in der Zukunft belohnt und trotz allem: "Wir" haben die einzig wahre Art zu leben gefunden, die auf Expansion beruht. Daniel Quinn macht darauf aufmerksam, dass bei weitem eben NICHT alle Menschen so sind: Die meisten indigenen Völker haben ganz andere zugrundeliegende Annahmen. Von expansiven Zivilisationen unbehelligt leben diese Völker seit Tausenden von Jahren NICHT expansiv, NICHT ewig fortschreitend, NICHT im Schweiße ihres Angesichts, NICHT auf Glück erst in der Zukunft hoffend. Primitiv, würden wir sagen, prähistorisch. Stagnierend. Sinnlos. Eine Verschwendung. Das kann aber nur die Schlussfolgerung zulassen: Was WIR als "zutiefst menschlich" betrachten, ist oft viel weniger naturgegeben als wir denken. Vielmehr agieren wir auf eine bestimmte Weise, weil wir es über viele viele Generationen so gelernt haben. Diese Art der Gesellschaft kann mit Menschen nichts anfangen, die mit wenig zufrieden sind und einfach in den Tag hineinleben und glücklich sein wollen. Daher werden wir bombardiert mit Botschaften, die immer eines sagen: "Wenn du erst... erreicht hast, dann wirst du glücklich sein". Ob es dabei um Konsumgüter geht, die man unbedingt haben muss, oder ein Ziel vor Augen, das es zu erreichen gilt - es ist immer dasselbe: JETZT grade kannst du nicht glücklich, zufrieden sein. Du musst weiter, immer weiter. Zufriedenheit ist verboten, Zufriedenheit würde dieser Kultur ihre Basis entziehen. Menschen, die zufrieden sind, kann man nicht jeden Schmarrn verkaufen. Zufriedene Menschen lassen sich nicht freiwillig versklaven, indem man sie mit einer Belohnung in der Zukunft ködert. Mich irritiert die Selbstverständlichkeit, mit der die meisten hinnehmen, dass das normal ist. In der Star Trek - Folge letztlich ALLE Beteiligten, unter den Zusehern auch die überwältigende Mehrheit. Es beginnt schon nach wenigen Minuten: Einige Crewmitglieder schwärmen aus, um die Gegend zu erkunden. Mr. Leslie kommt zurück mit folgender Beobachtung:
Diese Aussage bleibt unhinterfragt im Raum stehen: Es ist eine isolierte Kolonie, die mit niemandem Handel treiben kann. Wozu genau soll sie Überschuss produzieren? Im Lauf der Folge wird die Botschaft dann wesentlich deutlicher, als der Siedler Elias endlich rausrückt mit der Sprache und erklärt, was es mit den Sporen auf sich hat:
Ganz anders schon klingt Elias wenig später, nachdem der Einfluss der Sporen zurückgedrängt ist, und er sich wieder in ein braves, produktives Mitglied der Gesellschaft verwandelt hat:
Das übliche "Abschlussgeplänkel" (Insiderschmäh: Aufstellung zum Schlusswitz!) hämmert die Botschaft noch mal in unsere Köpfe, einzig ausgerechnet Spock ist ein wenig nachdenklich:
Tja. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen, außer vielleicht ein paar Links: Englische Zitate kopiert von dieser Seite: chakoteya.net Ausführliche deutsche Zusammenfassung der Folge: startrek-index.de Englische Reviews, besonders empfehlenswert "Why Leave?": imdb.com |
||||
« home |
« previous |
» archives « |
next » |