17.06.2016 |
Erich Fromm - Haben oder Sein |
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![]() Ich habe Erich Fromm (wiki, dt.) in Angriff genommen und war echt geschockt. Geschockt wegen der Aktualität seiner Analysen und auch Prognosen, weil mir sehr bewusst war, dass "Haben oder Sein" bereits 1976 erschienen ist - das war vor genau 40 Jahren. Dieses Buch ist älter als ich. Mir war bis dato nicht klar gewesen, dass all das, was ich hier zusammentrage, beschreibe und beklage, vor 40 Jahren schon ganz genauso präsent und problematisch war und auch benannt wurde - und damals war die Weltbevölkerung etwa halb so groß wie heute. Und nichts hat sich zum Besseren gewendet, im Gegenteil: Das ist Wahnsinn. Hier ein paar laaaange Zitate: _ _ _ _ _
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Solidarität - Antagonismus (S. 109 - 114) [...] Am Haben orientierte Menschen möchten den Menschen, den sie lieben oder bewundern, haben. [...] Beziehungen, die wesentlich besitzorientiert sind, sind bedrückend, belastend, voll von Eifersucht und Konflikten. Allgemeiner gesprochen: Das Verhältnis zwischen den Menschen ist in der Existenzweise des Habens durch Rivalität, Antagonismus und Furcht gekennzeichnet. Das antagonistische Element bei Beziehungungen, die am Haben orientiert sind, liegt in der Eigenart des Habens selbst begründet: Wenn Haben die Basis meines Identitätsgefühls ist, weil "ich bin, was ich habe", dann muss der Wunsch zu haben zum Verlangen führen, viel, mehr, am meisten zu haben. Mit anderen Worten, Habgier ist die natürliche Folge der Habenorientierung. Es kann die Habgier des Geizigen, die Habgier des Profitjägers, die Habgier des Schürzenjägers oder mannstoller Frauen sein. Was auch immer seine Gier entfacht, er wird nie genug haben, er wird niemals "zu-frieden" sein. Im Gegensatz zu körperlichen Bedürfnissen wie Hunger, bei denen es physiologisch bedingte Grenzen gibt, ist die psychische Gier - und jede Gier ist psychisch, selbst wenn sie über den Körper befriedigt wird - unersättlich, da die innere Leere und Langeweile, die Einsamkeit und die Depression, die sie eigentlich überwinden soll, selbst durch die Befriedigung der Gier nicht beseitigt werden können. Da einem das, was man hat, auf die eine oder andere Weise weggenommen werden kann, muss man außerdem ständig mehr haben wollen, um sein Leben vor dieser Gefahr zu schützen. Wenn jeder mehr möchte, muss jeder die aggressiven Absichten seiner Nachbarn fürchten, ihm wegzunehmen, was er hat; um solchen Angriffen vorzubeugen, muss man selbst stärker und präventiv aggressiver werden. [...] Dass die Existenzweise des Habens und die daraus resultierende Habgier zwangsläufig zu Antagonismus und Kampf zwischen den Menschen führen, gilt sowohl für Völker als auch für einzelne Menschen. Denn solange die Völker aus Menschen bestehen, deren hauptsächliche Motivation das Haben und die Gier ist, werden sie notwendigerweise Krieg führen. Es ist unvermeidlich, dass sie einem anderen Volk neiden, was dieses hat, und versuchen, das, was sie begehren, durch Krieg, ökonomischen Druck und Drohungen zu bekommen. [...] Sogar wenn nur eine leidliche Chance besteht zu gewinnen, wird ein Volk Krieg führen, nicht weil es ihm wirtschaftlich schlecht geht, sondern weil das Verlangen, mehr zu haben und zu erobern, tief im Habenmodus verwurzelt ist. Natürlich gibt es Zeiten des Friedens. Aber man muss zwischen dauerhaftem Frieden und der Art von Frieden unterscheiden, der eine Zeit des Kräftesammelns und der Aufrüstung ist - mit anderen Worten zwischen Frieden, der ein Zustand von andauernder Harmonie, und Frieden, der im Grunde nichts als ein langer Waffenstillstand ist. [...] Friede als der Zustand anhaltender harmonischer Beziehungen zwischen Völkern ist nur möglich, wenn die Habenstruktur durch die Struktur des Seins ersetzt wird. Die Vorstellung, man könne Frieden haben, während man das Streben nach Besitz und Gewinn unterstützt, ist eine Illusion, und zwar eine gefährliche, denn sie hindert die Menschen zu erkennen, dass sie sich einer klaren Alternative stellen müssen: entweder eine radikale Veränderung des Charakters oder ewiger Krieg. Tatsächlich ist diese Alternative alt; die Führer haben den Krieg gewählt und die Menschen sind ihnen gefolgt. Heute und in Zukunft, als Folge der unglaublich anwachsenden Destruktivität der neuen Waffen, ist die Alternative nicht länger Krieg - sondern gegenseitiger Selbstmord. Was für den Krieg zwischen den Völkern gilt, ist ebenso gültig für den Klassenkampf. Es gab den Kampf zwischen den Klassen, zwischen den Ausbeutern und den Ausgebeuteten, in Gesellschaften, die auf dem Prinzip der Habgier begründet waren, immer schon. Es gab ihn dort nicht, wo es keine Ausbeutung gab, weil sie wirtschaftlich nicht möglich war. [...] Notwendigerweise werden die, die stärker, klüger oder durch irgendwelche Umstände begünstigt sind, versuchen, sich eine Vorrangstellung zu sichern, und sie werden mit Zwang und Gewalt oder durch Suggestion versuchen, die zu übervorteilen, die weniger Macht haben als sie. Unterdrückte Klassen werden ihre Beherrscher stürzen, um selbst Herrscher zu werden und so endlos weiter. Der Klassenkampf kann mildere Formen annehmen, aber er kann nicht aufhören, solange Habgier das Herz des Menschen beherrscht. Die Vorstellung einer klassenlosen Gesellschaft in einer sogenannten sozialistischen Welt, die vom Geist der Habgier voll ist, ist ebenso illusionär - und gefährlich - wie die Idee eines immerwährenden Friedens zwischen habgierigen Völkern. In der Existenzweise des Seins hat diese Art von privatem Haben (Privateigentum) wenig gefühlsmäßige Betonung, denn ich brauche etwas nicht zu besitzen, um es genießen, ja sogar, um es benützen zu können. In der Existenzweise des Seins kann mehr als ein Mensch, können in der Tat Millionen Menschen sich an der gleichen Sache erfreuen, da keiner von ihnen sie haben muss, um sie genießen zu können. Diese Tatsache verhindert nicht nur Streit, sie bewirkt eines der tiefsten Erlebnisse menschlichen Glücks, geteilte Freude. Nichts vereinigt Menschen mehr (ohne ihre Individualität einzuengen) als ihre gemeinsame Bewunderung und Liebe für einen Menschen oder wenn sie durch einen Gedanken, ein Musikstück, ein Gemälde oder ein Ritual verbunden sind oder gar das Leiden teilen. [...] _
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Der "Marketing-Charakter und die "kybernetische Religion" (S. 141 - 147) [...] Ich habe die Bezeichnung "Marketing-Charakter" gewählt, weil der einzelne sich selbst als Ware und den eigenen Wert nicht als "Gebrauchswert", sondern als "Tauschwert" erlebt. Der Mensch wird zur Ware auf dem "Persönlichkeitsmarkt". Das Bewertungsprinzip ist dasselbe wie auf dem Warenmarkt, mit dem einzigen Unterschied, dass hier "Persönlichkeit" und dort Waren feilgeboten werden. [...] Der Erfolg hängt weitgehend davon ab, wie gut sich ein Mensch auf dem Markt verkauft, ob er "gewinnt" (im Wettbewerb ...), wie anziehend seine "Verpackung" ist; ob er "heiter", "solide", "aggressiv", "zuverlässig" und "ehrgeizig" ist; aus welchem Milieu er stammt, welchem Klub er angehört, und ob er die "richtigen" Leute kennt. [...] Die Einstellung des einzelnen zu sich selbst wird somit durch den Umstand geprägt, dass Eignung und Fähigkeit, eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen, nicht ausreichen. Um Erfolg zu haben, muss man imstande sein, in der Konkurrenz mit vielen anderen seine Persönlichkeit vorteilhaft präsentieren zu können. [...] Da der Erfolg weitgehend davon abhängt, wie gut man seine Persönlichkeit verkauft, erlebt man sich als Ware oder richtiger: gleichzeitig als Verkäufer und zu verkaufende Ware. Der Mensch kümmert sich nicht mehr um sein Leben und sein Glück, sondern um seine Verkäuflichkeit. Das oberste Ziel des Marketing-Charakters ist die vollständige Anpassung, um unter allen Bedingungen des Persönlichkeitsmarktes begehrenswert zu sein. Der Mensch dieses Typus hat nicht einmal ein Ego (wie die Menschen des 19. Jahrhunderts), an dem er festhalten könnte, das ihm gehört, das sich nicht wandelt. Denn er ändert sein Ich ständig nach dem Prinzip: "Ich bin so, wie du mich haben möchtest." [...] Sie haben ihr großes, sich ständig wandelndes Ego, aber keiner von ihnen hat ein Selbst, einen Kern, ein Identitätserleben. Die "Identitätskrise" der modernen Gesellschaft ist darauf zurückzuführen, dass ihre Mitglieder zu selbst-losen Werkzeugen geworden sind, deren Identität auf ihrer Zugehörigkeit zu Großkonzernen (oder anderen aufgeblähten Bürokratien) beruht. Wo kein echtes Selbst existiert, kann es auch keine Identität geben. Der Marketing-Charakter liebt nicht und hasst nicht. Diese "altmodischen" Gefühle passen nicht zu einer Charakterstruktur, die fast ausschließlich auf einer rein verstandesmäßigen Ebene funktioniert und sowohl positive als auch negative Emotionen meidet, da diese mit dem Hauptanliegen des Marketing-Charakters kollidieren: dem Verkaufen und Tauschen oder genauer, dem Funktionieren nach der Logik der "Megamaschine" (Lewis Mumford), deren Bestandteil sie sind, ohne Fragen zu stellen, außer, wie gut sie funktionieren, was an ihrem Aufstieg in der bürokratischen Hierarchie abzulesen ist. Da der Marketing-Charakter weder zu sich selbst noch zu anderen eine tiefe Bindung hat, geht ihm nichts wirklich nahe, nicht weil er so egoistisch ist, sondern weil seine Beziehung zu anderen und zu sich selbst so dünn ist. Das mag auch erklären, warum sich diese Menschen keine Sorgen über die Gefahren nuklearer und ökologischer Katastrophen machen, obwohl sie alle Fakten kennen, die eine solche Gefahr ankündigen. [...] In Wirklichkeit steht dem Marketing-Charakter niemand nahe, nicht einmal er selbst. [...] Die "kybernetische Religion" des Marketing-Charakters entspricht dessen gesamter Charakterstruktur. [...] Am auffallendsten ist auf den ersten Blick, dass sich der Mensch selbst zum Gott gemacht hat, da er inzwischen die technischen Fähigkeiten zu einer "zweiten Erschaffung" der Welt besitzt, die an die Stelle der ersten Schöpfung des Gottes der traditionellen Religion getreten ist. Man kann es auch so formulieren: Wir haben die Maschine zur Gottheit erhoben und werden selbst Gott gleich, indem wir sie bedienen. Welche Formulierung wir wählen, ist nicht wichtig; entscheidend ist, dass sich der Mensch im Augenblick seiner größten Ohnmacht einbildet, dank seiner wissenschaftlichen und technischen Fortschritte allmächtig zu sein. [...] Wir sind nicht länger Herren der Technik, sondern werden zu ihren Sklaven - und die Technik, einst ein wichtiges schöpferisches Element, zeigt uns ihr anderes Gesicht als Göttin der Zerstörung (wie die indische Göttin Kali), der Männer und Frauen sich selbst und ihre Kinder zu opfern bereit sind. Während sie bewusst noch an der Hoffnung auf eine bessere Zukunft festhält, verdrängt die kybernetische Menschheit die Tatsache, dass sie begonnen hat, die Göttin der Zerstörung zu ihrem Idol zu erheben. Für diese These gibt es viele Beweise, aber keiner ist zwingender als diese beiden Tatsachen: 1. dass die großen (und auch einige kleinere) Mächte fortfahren, Atomwaffen von immer größerem Vernichtungspotential herzustellen, und dass sie sich nicht zu der einzigen vernünftigen Lösung durchringen können: zur Vernichtung aller Nuklearwaffen und der Atomkraftwerke, die das Material zur Produktion der Kernwaffen herstellen; und 2. dass praktisch nichts unternommen wird, um die Gefahr einer ökologischen Katastrophe zu bannen. Kurz, es wird nichts getan, um das Überleben der Menschheit zu sichern. _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _
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Wesensmerkmale der neuen Gesellschaft Gesunder und vernünftiger Konsum ist nur möglich, wenn wir das Recht der Aktionäre und Konzernleitungen, über ihre Produktion ausschließlich vom Standpunkt des Profits und Wachstums zu entscheiden, drastisch einschränken. (S. 171 - 173) [...] Langfristig werden die Bedürfnisse der Verbraucher darüber entscheiden, was produziert wird, sobald der suggestive Einfluss der Werbung wegfällt. Die existierenden Unternehmen werden ihre Produktionsanlagen umstellen müssen, um die neuen Bedürfnisse befriedigen zu können; wo dies nicht möglich ist, muss die Regierung das nötige Kapital für die Produktion neuer Güter und Dienstleistungen bereitstellen, nach denen Nachfrage besteht. Alle diese Veränderungen können nur Schritt für Schritt und mit Zustimmung der Bevölkerungsmehrheit vorgenommen werden. Das Endresultat wird ein neues Wirtschaftssystem sein, das vom heutigen westlichen Kapitalismus ebensoweit entfernt ist wie vom zentralistischen Staatskapitalismus sowjetischer Prägung und wie von der totalen Wohlfahrtsbürokratie Schwedens. [...] Eine wirksame Methode, mit der die Bevölkerung die Macht des Konsumenten demonstrieren kann, ist der Aufbau militanter Verbraucherorganisationen, die sich des "Verbraucherstreiks" als Waffe bedienen. [...] Die großen Vorteile von Verbraucherstreiks sind, dass sie kein Eingreifen der Regierung erfordern, dass sie schwer zu bekämpfen sind (es sei denn, die Regierung ginge soweit, die Bevölkerung zum Kauf von Produkten zu zwingen, die sie nicht kaufen will), und dass es sich erübrigt, auf die Zustimmung von 51 Prozent der Wahlberechtigten zu warten, wie dies bei staatlichen Maßnahmen der Fall ist. In der Tat würde schon eine Minderheit von zwanzig Prozent ausreichen, um Veränderungen herbeizuführen. Konsumentenstreiks können quer durch politische Lager und Programme wirksam werden; sowohl konservative als auch liberale und "linke" Humanisten könnten an ihnen teilnehmen, da ein einziges Motiv sie alle vereinen würde: der Wunsch nach vernünftigem und menschenwürdigem Konsum. [...] Das Problem besteht darin, den Verbrauchern 1. ihre zum Teil unbewusste Ablehnung des Konsumerismus und 2. ihre potentielle Macht bewusst zu machen, sobald eine humanistisch orientierte Verbraucherbewegung ins Leben gerufen ist. Eine derartige Bewegung wäre eine Manifestation echter Demokratie: Der einzelne nimmt direkten Einfluß auf den gesellschaftlichen Prozess und versucht, die gesellschaftliche Entwicklung in aktiver und nichtentfremdeter Weise mitzubestimmen. Und bei diesem ganzen Vorgang wären persönliche Erfahrungen, nicht politische Schlagworte das ausschlaggebende Element. Aber selbst eine gut organisierte Verbraucherbewegung genügt nicht, solange die großen Konzerne so viel Macht besitzen, wie dies heute [Anmerkung: 1976!!!] der Fall ist. Denn alles, was von der Demokratie noch übrig ist, wird zwangsläufig dem technokratischen Faschismus, einer Gesellschaft satter, nicht denkender Roboter zum Opfer fallen [...], wenn es nicht gelingt, die Macht der multinationalen Konzerne über die Regierungen und die Bevölkerung (via Gedankenkontrolle durch Gehirnwäsche) zu brechen. [Anmerkung: Erich Fromm wäre vermutlich auch kein Fan von TTIP & Co gewesen...] _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _
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Die Kluft zwischen den reichen und den armen Nationen muss geschlossen werden. (S. 180 f.) Es ist kaum zu bezweifeln, dass die Fortdauer und weitere Vertiefung dieser Kluft zu einer Katastrophe führen wird. Die armen Nationen haben aufgehört, die ökonomische Ausbeutung durch die Industriestaaten als gottgegeben hinzunehmen. [...] Was wird geschehen, wenn wir nichts unternehmen, um die Kluft zu beseitigen? Entweder werden Epidemien auf die Festung der Weißen übergreifen, oder die armen Nationen werden durch Hungersnöte zu solcher Verzweiflung getrieben, dass sie, vielleicht unterstützt von Sympathisanten in den Industriestaaten, Terrorakte verüben werden, möglicherweise unter Verwendung nuklearer oder biologischer Waffen, die in der weißen Festung Chaos auslösen werden. Diese Katastrophe ist nur abzuwenden, indem wir Hunger und Krankheit unter Kontrolle bringen - und dazu ist die Hilfe der Industrienationen unabdingbar. Diese Hilfe muss seitens der reichen Länder ohne Rücksicht auf Profite und politische Vorteile organisiert werden; das bedeutet auch, dass sie sich von der Vorstellung freihalten müssen, die ökonomischen und politischen Prinzipien des Kapitalismus müssten auf Afrika und Asien übertragen werden. [...] Damit [...] Empfehlungen befolgt werden, muss die Orientierung am Haben entscheidend geschwächt werden und ein Gefühl der Solidarität und der Verantwortung (nicht nur des Mitleids) an ihre Stelle treten. Diese Verantwortung gilt nicht nur unseren Mitmenschen auf dieser Erde, sondern auch unseren Nachkommen. Nichts ist in der Tat bezeichnender für unseren Egoismus als die Tatsache, dass wir fortfahren, die Naturschätze zu plündern, die Erde zu vergiften und für den Atomkrieg zu rüsten. Wir zögern nicht, unseren eigenen Kindern und Kindeskindern diesen geplünderten Planeten als Vermächtnis zu hinterlassen. Wird sich ein innerer Wandel vollziehen? Niemand kann diese Frage beantworten. Das eine sollte die Menschheit jedoch wissen: Falls er nicht zustande kommt, wird der Zusammenstoß zwischen armen und reichen Nationen nicht mehr im Griff gehalten werden können. _
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[Anmerkung: Zu meiner Überraschung und passend zu meinen letzten Beiträgen folgender Vorschlag:] Viele Übel der heutigen kapitalistischen und kommunistischen Gesellschaften wären durch die Garantie eines jährlichen Mindesteinkommens zu beseitigen. (S. 181 f.) Diesem Vorschlag liegt die Überzeugung zugrunde, dass jeder Mensch, gleichgültig, ob er arbeitet oder nicht, das bedingungslose Recht hat, nicht zu hungern und obdachlos zu sein. Er soll nicht mehr erhalten, als zum Leben nötig ist - aber auch nicht weniger. Dieses Recht scheint uns heute eine neue Auffassung auszudrücken, doch in Wirklichkeit handelt es sich um eine sehr alte Norm, die sowohl in der christlichen Lehre verankert ist als auch von vielen "primitiven" Stämmen praktiziert wird: dass der Mensch das uneingeschränkte Recht zu leben hat, ob er seine "Pflicht gegenüber der Gesellschaft" erfüllt oder nicht. Es ist ein Recht, das wir unseren Haustieren, nicht aber unseren Mitmenschen zugestehen. [...] Durch ein solches Gesetz würde die persönliche Freiheit immens erweitert; kein Mensch, der von einem anderen wirtschaftlich abhängig ist (beispielsweise von den Eltern, dem Ehemann, dem Chef), wäre weiterhin gezwungen, sich aus Angst vor dem Verhungern erpressen zu lassen. Begabte Menschen, die sich auf einen neuen Lebensstil vorbereiten wollen, hätten dazu Gelegenheit, wenn sie bereit sind, eine zeitlang ein Leben in Armut auf sich zu nehmen. Die modernen Sozialstaaten haben diesen Grundsatz - beinahe - akzeptiert, das heißt "nicht wirklich". Die Betroffenen werden nach wie vor von einer Bürokratie "verwaltet", kontrolliert und gedemütigt. Ein garantiertes Einkommen würde bedeuten, dass niemand einen "Bedürftigkeitsnachweis" zu erbringen braucht, um ein bescheidenes Zimmer und ein Minimum an Nahrung zu erhalten. Es wäre daher auch keine Bürokratie zur Verwaltung eines Wohlfahrtsprogramms mit ihrer typischen Verschwendung und Mißachtung der Menschenwürde vonnöten. Das garantierte jährliche Mindesteinkommen bedeutet echte Freiheit und Unabhängigkeit. Deshalb ist es für jedes auf Ausbeutung und Kontrolle basierende System, insbesondere die verschiedenen Formen von Diktatur, unannehmbar. [...] Dieser Gedanke wird all jenen undurchführbar oder gefährlich erscheinen, die überzeugt sind, dass "die Menschen von Natur aus faul" seien. Dieses Klischee hat jedoch keine faktischen Grundlagen; es ist einfach ein Schlagwort, das zur Rationalisierung der Weigerung dient, auf das Bewusstsein der Macht über die Schwachen und Hilflosen zu verzichten. _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _
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Ohne Worte. Bis demnächst! |
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