07.01.2016

Veränderungsprozess #2

personal

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Kommen wir langsam wieder zurück aus dem Schreiburlaub zum Thema der Veränderung mit einer "Geschichte", die einem recht häufig in Büchern und auf Internetseiten begegnet - in verschiedenen Variationen.

Hier meine Zusammenfassung der Version, die ich zuletzt gehört habe:


Tag 1
Ich gehe eine Straße entlang. Dort ist ein großes Loch. Ich sehe es nicht und falle hinein. Ich schimpfe, schreie und tobe, verfluche Gott und die Welt und schelte mich selbst für meine Dummheit. Irgendwann erkenne ich, dass das alles nichts nützt und klettere hinaus.

Ich setze meinen Weg fort.


Tag 2
Ich gehe eine Straße entlang. Dort ist ein großes Loch. Ich sehe es nicht und falle hinein. Nachdem sich die erste Aufregung gelegt hat, bemerke ich, dass ich hier schon mal war und klettere hinaus.

Ich setze meinen Weg fort.


Tag 3
Ich gehe eine Straße entlang. Dort ist ein großes Loch. Ich sehe es, kann mir aber nicht helfen und falle wieder hinein. Ich weiß, dass ich hier schon mal war und klettere ohne viel Aufhebens hinaus.

Ich setze meinen Weg fort.


Tag 4
Ich gehe eine Straße entlang. Dort ist ein großes Loch. Ich weiche aus.


Tag 5
Ich nehme eine andere Straße.


An den ersten beiden Tagen bin ich unfähig, eine Veränderung herbeizuführen: Wenn mir das Bewusstsein fehlt, dass es überhaupt ein Problem gibt, dann kann ich auch nicht reagieren.

Interessant wird es am dritten Tag: Es sind genügend Wachheit und Aufmerksamkeit da, um "das Problem" zu erkennen, aber noch keine Strategien entwickelt, nicht genügend "personal power" gesammelt, um auch reagieren zu können.

Das braucht "awareness" (ein waches Bewusstsein), "mindfulness" (Achtsamkeit) und "attention" (Aufmerksamkeit).

Wenn ich zum Beispiel regelmäßig wütend werde und dann Magenschmerzen bekomme, weil ein Kollege dumme Sprüche klopft, dann muss ich erst mal genügend Wachheit in der Situation haben, um zu erkennen, was abläuft, sobald es abläuft.

Da ich dieses Muster vermutlich zig-Mal abgespult habe und es zu einem Reflex geworden ist, ist es unwahrscheinlich, dass ich es von einem Tag auf den anderen unterbrechen kann. Aber ein erster Schritt ist getan, wenn mir - während mir der Rauch aus den Nüstern kommt - auffällt, was gerade passiert. (Tag 3)

Wenn ich dranbleibe, wird der Spalt zwischen Reiz und Reaktion immer größer, bis es mir schließlich gelingt, reinzugrätschen und die Reaktion zu verhindern. (Tag 4) Erst dann ist es mir wirklich möglich, andere Strategien zu entwickeln, mit der Situation umzugehen.

Spannenderweise passiert es dann tatsächlich manchmal, dass die so verhasste Angelegenheit plötzlich nicht mehr vorkommt, sobald man das Gefühl hat, nun wirklich gut aufgestellt zu sein (Tag 5).


Dieses Phänomen habe ich ein paar Mal erlebt:

Eine Situation, zum Beispiel ein Kontakt mit einem bestimmten Menschen, geht immer wieder auf eine ähnliche Art und Weise daneben, und ich komme jedes Mal mit demselben Gefühl heraus, zum Beispiel Machtlosigkeit.

Irgendwann wird der Leidensdruck zu groß, sodass ich mich aufraffe, das Ereignis, seine Wirkung auf mich und meine Reaktion zu zerlegen und analysieren (mit oder ohne Hilfe, besser MIT) - und entwickle eine detaillierte Strategie.

Man erkennt, dass wirklich ein "shift" (Änderung der Einstellung, Gemütslage,...) stattgefunden hat, wenn das Gefühl der dunklen Vorahnung plötzlich einer kampflustigen Erwartungshaltung weicht.

Aber: Sobald ich auf diese Weise "hochgerüstet" in die Schlacht ziehe, findet für gewöhnlich der Krieg gar nicht statt.

Schon mal erlebt? Fast ein wenig enttäuschend, sowas. ;o)


 
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