08.04.2015 |
Minimalismus |
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![]() Darauf habe ich schon mal eine Antwort: Nein, nicht wirklich. Im oben genannten Wikipedia-Eintrag habe ich die Bezeichnung "LOVOS" gefunden: Lifestyle of Voluntary Simplicity (Lebensstil mit selbstgewählter Einfachheit) - das gefällt mir ganz gut. Einige mögen nun denken: "Tsss, sitzt zuhause mit einem Regal voller DVDs und einem eigenen Beamer und redet vom 'einfachen Leben'! Heuchlerin!" Da ist natürlich was dran. Andererseits: Ich verbrauche derzeit im Monat deutlich unter € 1.000,00 - das kann man wohl kaum als luxuriös oder verschwenderisch bezeichnen. Also: Warum lassen wir das "labeln" nicht mal sein und ich erzähle, warum und wie ich dieses Thema für mich entdeckt habe? Das erste Mal bewusstes "Downsizing" habe ich betrieben, als ich vom Reihenhaus in Niederösterreich in meine 30m2 - Wohnung nach Graz gezogen bin. Das war eine Trennung von vielen "Sachen" und eine ganz schöne Tüftelei - und hat mir einen Riesenspaß gemacht. Obwohl die kleine Wohnung im Endeffekt schon immer noch sehr sehr voll war. Als ich 2 Jahre später mein "Auslandsjahr" in Angriff nahm, musste noch mehr Zeug raus - die großen Möbel habe ich in der Wohnung gelassen, viel Zeug verschenkt, einiges am Flohmarkt verkauft und schließlich meinen ganzen Besitz auf etwa 20 Umzugskartons reduziert, die in einen VW-Bus passten. Und dann lebte ich ein Jahr lang praktisch aus dem Koffer. Das war nicht ganz optimal, aber ging auch. Nach der Rückkehr holten wir zuerst nur einen PKW voll vom eingelagerten Zeug wieder, auch damit ließ es sich fast ein Jahr gut leben. Seit ich meinen ganzen Besitz wieder habe, bin ich hauptsächlich damit beschäftigt, in Etappen das alles immer wieder auszumisten - anfangs immer mit dem Hintergedanken: Alles, was ich NICHT habe, muss ich beim nächsten Umzug NICHT schleppen! Möbel hab ich kaum nachgekauft, sondern größtenteils selbst gebaut - und ich bin mittlerweile vollkommen von meinem System überzeugt: Ich bin total flexibel - fast alles kann ich jederzeit abbauen und anders wiederverwenden. Es gibt Holzbretter, die waren im Lauf der Jahre schon Teil von fast jedem Möbelstück. Und es gefällt mir. Dekoelementen habe ich komplett abgeschworen, mittlerweile habe ich nicht mal mehr einen Schuhkarton voll von dem Zeug. Zum einen kann ich es nicht leiden, wenn alle freien Flächen (vor allem Fensterbretter!) mit Zeug vollgestellt sind, zum anderen ist man ja nie damit fertig, sich Deko anzuschaffen. Und kaum jemals "braucht" man das - im Allgemeinen läuft das so: Man sieht irgendwas in einem Geschäft herumstehen und kann dann nicht widerstehen. Da gibt es keinen inherenten Bedarf, sondern ein generiertes Bedürfnis. Und ich bin da ziemlich anfällig - und empfinde es wirklich als Befreiung, als ich vor ein paar Jahren beschlossen habe, einfach keine Dekosachen mehr zu kaufen. Konsequent. Wie oft habe ich mich seither schon ertappt, mich magisch zu süßen kleinen Tonschildkrötchen oder bunten Blümchen hingezogen zu fühlen (vor allem die Themen "Frühling" und "Herbst" haben es mir angetan!)... Und konnte mich durch den Gedanken "Achtung! Konsumboykott!" aus dem Bann befreien - und habe das nicht als Verzicht, sondern als Entlastung erlebt. Was die DVDs betrifft: Ich habe in einem Schwung vor ein paar Jahren all die Serien nachgekauft, die ich zuvor schon ... ähm ... geschaut hatte - das war quasi ein Akt der Wiedergutmachung. Seither kommt kaum mehr was nach. Ich bin auch dabei, ständig Sachen von der Festplatte zu löschen - denn die Sammelwut äußert sich real wie digital. Und komischerweise empfinde ich die vielen Gigabytes genauso "beschwerend" wie tatsächliches Zeug. Dasselbe mache ich auch regelmäßig mit Büchern. Ich kaufe zwar derzeit massenhaft ein, bin deshalb auch immer wieder mit mir am Hadern, habe zwischenzeitlich sogar überlegt, ob ein "Kindle" nicht doch umweltschonender wäre, aber ich mag nun mal einfach das Gefühl, ein Buch in der Hand zu haben und "analog" zu sein. Aber ich sortiere auch konsequent aus - und habe in den letzten Jahren mehrere Umzugskartons voller Bücher zur Bücherei getragen. Und ab Mai habe ich mir auch erst mal einen "Bücherkaufstop" auferlegt. Geschirr. Da ich ja eine winzig kleine Küche habe, konnte ich Geschirr in 6-facher Ausführung nicht unterbringen - abgesehen davon, dass ich es ja nicht brauche. Ganz im Gegenteil: Je mehr Geschirr ich zur Verfügung habe, umso mehr steht dann dreckig herum. Wenn ich nur 2 Teller habe, bin ich wenigstens gezwungen, regelmäßig das Geschirr zu waschen. Ich habe daher all die überflüssigen Küchenutensilien in eine große Schachtel verfrachtet und weggepackt. Ich hab hin und her überlegt, ob ich es weggeben soll oder nicht, aber wie wohl jeder weiß, hält Porzellan nicht ewig, daher die Entscheidung, das Zeug als Reserve zu behalten. Ähnlich bei Kleidung: Ich habe jetzt wirklich erstmals alles, was ich kaum anziehe, weggegeben. "Aber vielleicht, unter diesen oder jenen Umständen würde ich es vielleicht doch anziehen..." gilt nicht mehr. Behalten wird nur, was ich auch wirklich verwende. Aber auch da habe ich gewisse Sachen verräumt. Denn ich habe die Angewohnheit, eh immer nur die gleichen Sachen anzuziehen. Also trage ich die so lange, bis sie mir vom Leib fallen, dann krame ich die "Reserveschachtel" hervor und stocke auf. :o) Ich arbeite auch immer wieder den "Papierkram" durch - dazu zähle ich alles, was ich irgendwie selbst fabriziert, gesammelt, aufbewahrt habe. Irgendwann ausgedrucktes Infomaterial, von Veranstaltungen mit nach Hause genommene Broschüren, angesammelte Dokumente, Fotoalben,... Aus unerklärlichen Gründen ist Ausmisten bei diesen Sachen besonders befriedigend. Meine alten Lohnzettel: Eingescannt und weggeworfen. (Alte) Kontoauszüge: Braucht kein Mensch! Rechnungen: Ins Altpapier. Notizen und hingekritzelte Weisheiten: Kurzer Prozess! Was ich jetzt gerade in Angriff genommen habe: Meine Fotoalben. Das ist irgendwie ein heikles Thema - vor allem für (manche) Mitmenschen. Ich gestehe eine Frevelei: Ich habe vor wenigen Wochen meine fünf Daisy - Fotoalben durchforstet und die wichtigsten Bilder in einem Ordner neu aufbereitet. Der Rest: Ab in die Tonne. Dafür habe ich auch das andere verwandte Zeug (zB die Urkunde von der Zertifikatsprüfung) dazu geordnet - jetzt ist alles beisammen und überschaubar, und seien wir ehrlich: Wer hat schon Lust, fünf Alben durchzuackern? Jetzt habe ich grade die "Familienalben" in Arbeit - was erstaunlicherweise viel mehr Arbeit ist. Ich hatte zuerst hin und her überlegt: Digitalisieren, ja oder nein? Ein Fotobuch machen (lassen)? Ein neues, schönes Album kaufen? Aber ich habe mir dann EIN Kriterium gesetzt: Es wird kein neues Material herangeschafft. Daher: Leere Ordner, (buntes) Papier und Klarsichthüllen habe ich in Unmengen zuhause, damit könnte ich eine ganze Schulklasse versorgen - also wurde das verwendet. (Die leeren Ordner und Klarsichthüllen stammen übrigens aus vorhergehenden Ausmistaktionen.) Geständnis: Der Klebstoff ging irgendwann aus und musste nachgekauft werden. Ja, und erstaunlicherweise habe ich abgesehen davon nicht viele "Sachen" - für meinen Geschmack aber immer noch viel zu viel. Aber ich bin laufend am Reduzieren. Oder Nicht-Nachbesetzen. Was sich auf jeden Fall für mich sehr angenehm anfühlt: Wenn ich irgend etwas haben möchte, aber die Antwort auf die Frage "BRAUCHE ich das?" ist Nein - dann kaufe ich es nicht. Punkt. Das nimmt sehr viel Entscheidungsdruck weg und entlastet die Geldbörse. Abgesehen von diesem persönlichen "Feldzug" habe ich mich mit dem Thema nur rudimentär auseinandergesetzt und das Buch "Everything That Remains" gelesen. Darin erzählen die beiden Autoren ihren eigenen Zugang zum Thema: Während Joshua eine graduelle Entwicklung durchlief, machte Ryan eine interessante Radikalkur ("Packing Party"): Er verpackte alles, was er besaß (inkl. Couch, div. andere Möbelstücke und Geräte) und packte nur das aus, was er grade brauchte. Alles, was nach 21 Tagen noch unverpackt war, kam weg. Wie man sich vorstellen kann, waren nach den 3 Wochen etwa 80% der Sachen unangetastet... (Das kann ich jetzt nicht unbedingt weiterempfehlen, denn wir haben im Leben ja Zyklen, zum Beispiel Jahreszeiten - und im Halbjahresintervall das Zeug immer wieder neu nachzukaufen ist nicht nur unwirtschaftlich, sondern der "Konsumverweigerermentalität" komplett entgegenlaufend. Aber grundsätzlich kann ich dem Zugang schon was abgewinnen...) Jetzt sind wir noch immer nicht schlauer, was einen Minimalisten ausmacht und was nicht, aber die Entscheidung, Zeug nicht zu kaufen, das man nicht wirklich BRAUCHT, ist auf jeden Fall ein guter Anfang. Und vielleicht die praktikabelste Lösung für die meisten Probleme, denen wir als Gesellschaft gegenüberstehen. Außerdem: Verweigerung scheint mir oft die einzige (und letzte) Maßnahme zu sein, die dem einzelnen bleibt, um Unbehagen bzw. Widerwillen auszudrücken. PS.: Wie vermutet, ist Diskussionsbedarf zum gegebenen Zeitpunkt nicht wirklich vorhanden, also lass' ich erst mal alles so, wie es ist. Vielleicht frage ich in ein paar Monaten wieder nach... |
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